Man wundert sich schon


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    Die Mode ist gnadenlos. Sie kennt keine Logik. Kontinuität ist ihr Wurscht. Mode betrifft auch Meinungen. Meinungen werden immer kurzlebiger und dafür radikaler und intoleranter. Für die Demokratie ist das eine Gefahr.

    Man wundert sich schon, mit welcher Leichtigkeit einige Menschen ihre Meinungen ändern. Man wundert sich auch, mit welcher Radikalität sie an einem Tag das genaue Gegenteil von dem behaupten, was sie am Tag zuvor herausposaunt haben. Ein schönes Beispiel ist der Angriff auf Israel durch die Hamas, dem palästinensischen Terror.

    Damit es von Anfang an klar ist: Ich stehe natürlich zu 100 Prozent hinter Israel. Ich habe schon immer behauptet, ganz Palästina sei eine Terrororganisation. Entsprechend lehne ich die Zwei-Staaten-Lösung ab. Für mich ist das «da unten» alles der jüdische Staat. Mit dieser Meinung stehe ich in der Minderheit. Besser: ich stand.

    Ich habe mich schon gewundert, als ich eines Tags plötzlich der Mehrheit angehörte. Jahrelang haben Schweizer Medien die Palästinenser als unterdrücktes Volk dargestellt. Jahrelang haben Schweizer Medien gegen Israel gehetzt. Noch wenige Tage vor dem Angriff veröffentlichten Zeitungen in der Schweiz Angriffe auf die Führung des jüdischen Staates.

    Doch auch die offizielle Schweiz wurde nie müde, Israel zu verurteilen. Seitdem Bern im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hockt, wurden die Positionen noch antiisraelischer. Die Schweiz finanziert auch verschiedene Organisationen, die Handlanger der Terroristen sind. Sie spricht sogar vom «besetzen palästinensischen Gebiet». Die Europäische Union, machte das Gleiche wie die Schweiz.

    In unseren Universitäten ist vom Steuerzahler finanzierte Anti-Israel Stimmung der Normalfall. Man zeigt Verständnis für die Hamas, weil sie Teil der Intifada ist. Man streitet den jüdischen Charakter Israels ab und stellt das Land als Relikt des Kolonialismus dar.

    Das hat sich alles geändert
    Man wundert sich schon: In einem Handumdrehen sind jetzt alle für Israel. Medien loben das entschlossene Vorgehen des Premierministers und seines Kriegskabinetts. In Leit- und Meinungsartikeln wird aufgerufen, zu Israel zu stehen. Von der offiziellen Schweiz wird gefordert, zumindest die Zahlungen an die Palästinenser zu überprüfen, wenn nicht ganz einzustellen.

    Selbst die offizielle Schweiz – und sogar die EU! – machten den Meinungswechsel durch. Und dass die Universitäten auch der pro-Israel Mode folgen, ist erstaunlich

    Der Leser fragt sich nun: Wo ist das Problem?
    Das Problem ist die Hetze. Kaum haben Medien, Staat und Universitäten ihre Meinung geändert, gehen sie erbarmungslos gegen Andersdenkende vor. Die gleichen Leute und Institutionen, die gestern noch Israel verurteilen und jeden Israelfreund verdammten, stilisieren sich heute als super-Israelfreunde und rufen zur Verachtung der anderen auf.

    Das ist unredlich. Viel wichtiger noch ist das gefährlich. Denn eine Demokratie braucht die Meinungsäusserungsfreiheit. Diese beinhaltet die Äusserung von allen – allen! – Meinungen, auch von den schrecklichsten.

    Eine Demokratie muss die Stärke haben, mit Hamas-Enthusiasten, Palästina-Verstehern und Terror-Relativierern umzugehen. Die freie Äusserung dieser – von mir aus gesehen, perversen – Meinungen darf nicht zu Sanktionen, Entlassungen oder zum Ausschluss führen. Wenn wir die freie Meinungsäusserung unterdrücken oder bestrafen, werden wir zum puren Gegenteil einer Demokratie. Das Problem für die Demokratie ist nie die freie Meinungsäusserung. Die Hetze der dauerempörten Meinungswechsler ist es.

    Ich stehe 100 Prozent zum jüdischen Staat Israel, einem einzigen Staat, der Gaza und das Westjordanland umfasst und Jerusalem als Hauptstadt hat. Ich setze mich zu 100 Prozent dafür ein, dass die Schweiz eine Demokratie bleibt. Dafür braucht es die absolute, uneingeschränkte, freie Meinungsäusserung – auch von Andersdenkenden.


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    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

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