Kommt jetzt die «Restruktur­ierungswelle»?

    Stellenabbau wegen Covid: Manche Unternehmen hatten keine Wahl, andere nutz(t)en «die Gunst der Stunde»

    Der Stellenabbau aufgrund der Folgen der Covid-Pandemie hat leider noch mehr Fahrt aufgenommen. Auch in unserer Region. Eine Bestandesaufnahme.

    (Bild: Bildarchiv Basel-Stadt) Arbeitsamt Basel-Stadt: Kommt es aufgrund der Tendenzen zum erhöhten Stellenabbau in einigen der grossen Unternehmen in der Region zu einen Ansturm auf das Arbeitsamt?

    Implenia und Huber + Suhner haben schon oder werden je zirka 250 Stellen streichen. Die Manor hat bereits angefangen 450 Stellen abzubauen. Hotelplan Schweiz will sogar 475 streichen, Jet Aviation knapp 250. Die Liste wird länger und länger mit Schweizer Unternehmen, die konjunkturbedingt und vor allem wegen der Pandemie-Direkteinwirkung empfindliche Personalentscheide fällen müssen. In der Region Nordwestschweiz fallen einige Beispiele auf:

    Pandemiebedingt vs. optimales Timing für Restrukturierungen
    Der Konzern Dufry mit Hauptsitz in Basel als Betreiber von Duty-Free-Shops in der ganzen Welt beschäftigt rund 35’000 Mitarbeitende. Nun soll es zu harten Einschnitten kommen, wie das börsenkotierte Unternehmen mitteilte. So sollen rund 20 bis 35 Prozent der Personalkosten eingespart werden, um massive Umsatzeinbrüche von bis zu 70 Prozent aufzufangen. Der Personalabbau soll über Frühpensionierungen sowie die «eingeschränkte Beschäftigung von Temporärmitarbeitenden» erfolgen und betreffe das gesamte Unternehmen und alle Regionen (Quelle: primenews.ch).

    Auch Schindler Aufzüge mit einem Standort in Pratteln wird insgesamt 2’000 Kündigungen aussprechen, davon 200 in der Schweiz. Die Corona-Krise trifft auch den Basler Zahnimplantathersteller Straumann hart. Das Unternehmen will 660 Stellen streichen – 60 davon in Basel. Die Aktien reagieren mit massiven Kursabgaben auf die Ankündigung, wobei diese nicht ganz unerwartet komme, wie in den Medien berichtet wurde. Konkret verkleinert das Unternehmen die Belegschaft um rund neun Prozent. Aktuell beschäftigt Straumann weltweit 7’680 Mitarbeiter, davon 595 in Basel. Der geplante Abbau erstrecke sich auf alle Länder und Funktionen. Der Markt für zahnmedizinische Wahleingriffe sei durch die Pandemie stillgelegt, sagte CEO Guillaume Daniellot an einer Telefonkonferenz mit Medienvertretern. Er gehe davon aus, dass eine rasche Erholung wegen der sich abzeichnenden Wirtschaftsentwicklung ausbleibe. Reaktionen aus wieder geöffneten Märkten deuteten nämlich darauf hin, dass ein grosser Anteil nicht dringender Zahnbehandlungen aufgeschoben werde. Aufgrund dessen rechen er eher mit einer U-förmigen als einer V-förmigen Erholung der Märkte, sagte der Firmenchef weiter. Aus diesem Grunde reichten die bisherigen Sparmassnahmen nicht mehr aus. Zudem sei Straumann auf anhaltend hohes Wachstum ausgerichtet gewesen und habe den Personalbestand in den letzten drei Jahren verdoppelt, berichtete Telebasel. Es gelte, die Organisation auf diese neue Realität auszurichten. Wie schon bekannt war, verringerte das Unternehmen wegen der Krise die kurzfristigen Kosten sowie die Arbeitspensen und Löhne. Zudem seien freiwillige Kürzungen der Topmanagement-Saläre vorgenommen und Investitionsvorhaben heruntergefahren worden.

    Auch die Roche muss weltweit Jobs abbauen. Man spricht von 3’000 Stellen in den kommenden zwei bis drei Jahren. Basel und Kaiseraugst sind mit 600 Arbeitsplätzen betroffen. Die geplanten Restrukturierungen seien jetzt erst recht nötig. Aber sollen der Pharma-Division die Umsätze erhöhen und die Kostenstruktur verbessern. Die Gewerkschaften sind vom Ausmass des Stellenabbaus negativ überrascht und sprechen von einem «Skandal». Der Stellenabbau in der Region Basel betreffe vor allem die chemische Produktion und einige Servicebereiche. Nicht tangiert ist die Forschung. Roche will die Massnahmen sozialverträglich und fair umsetzen und «die Zahl der Entlassungen auf ein Minimum beschränken», wie bekannt gegeben wurde.

    (Bilder: Bildarchiv Basel-Stadt) Die Roche investiert viel in Forschung und baut den zweiten Turm. Aber die Pandemie hat auch den Konzern dazu bewogen, Restrukturierungsmassnahmen zu tätigen.

    Kahlschläge sorgen für Unmut – Manche nutzten «die Gunst der Stunde»
    Wie bereits erwähnt und in der Region mit Empathie begleitet: Die Manor will an die 475 bis 500 Stellen abbauen. Die Unia wehrt sich gegen die angekündigte Streichung. In einem Konsultationsverfahren sollen gemeinsam mit den Angestellten Alternativen zu den Entlassungen besprochen werden. Dabei sollen die Angestellten die Möglichkeit erhalten, Alternativen zu den Entlassungen vorzuschlagen. Zudem sollen Sozialpläne ausgearbeitet werden und zwar «bessere, als wir es bisher von Manor gewohnt sind», heisst es in einer offiziellen Mitteilung weiter. Auch bei Panalpina fallen Jobs weg. Im Frühjahr wanderte der Logistikkonzern in dänische Hände – jetzt fallen mit 165 über die Hälfte der Stellen am Hauptsitz weg. Es kommt auch zu Entlassungen. In der Gesellschaft Panalpina Management sollen bis Ende Jahr 100 Stellen abgebaut werden. 52 weitere kommen bis Mitte 2020 hinzu. In zwei weiteren Gesellschaften sind es nochmals 13 Stellen.

    Die Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber zeigt auf, wie der Trend aktuell ist, sollte die Pandemie noch um weitere Monate ihren dunklen Schleier über unsere Wirtschaft legen. Was hat das alles für Konse­quenzen in der Region? Noch Ende September 2020 waren im Kanton Basel-Stadt 4’053 arbeitslose Personen bei den Regionalen Arbeits­vermittlungszentren (RAV) registriert, 89 Personen weniger als im August 2020 (-2.1 Prozent). Die Arbeitslosenquote sank von vier Prozent im Vormonat auf 3.9 Prozent im Berichtsmonat. Gegenüber dem Vorjahresmonat (September 2019) stieg die Anzahl der arbeitslosen Personen um 1’283 (+46.3 Prozent). Trotz dieser momentanen Stabilisierung erholen sich gewisse Branchen – wie beispielsweise die Hotellerie und Gastronomie sowie der Eventbereich – nur langsam.

    Alessandro Tani, Jurist, Mitglied der Geschäftsleitung und stellvertretender Amtsleiter sowie Bereichsleiter Arbeitslosenversicherung im Departement Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt: «Wir rechnen deshalb mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten und haben in den RAV bereits angemessen Personalressourcen aufgestockt. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Basel-Stadt hat bisher rund 310 Millionen Franken Kurzarbeitsentschädigung ausbezahlt, insgesamt wurden beinahe 13’900 Auszahlungen an Unternehmen getätigt. Die Unterstützungsmassnahmen von Bund und Kanton zeigen unserer Ansicht nach Wirkung. Viele Firmen, die in Kurzarbeit waren, arbeiten wieder im Normalbetrieb. Betroffen sind indes nach wie vor die Branchen wie Hotellerie, Gastronomie, Tourismus, Kultur oder Event. In diesen Branchen ist die Arbeitssuche folglich schwieriger.»

    Der massive Stellenabbau bei Manor hat viele emotional bewegt.

    Prognoseunsicherheit und unterschiedliche Betroffenheit der Branchen
    Zurzeit liege eine grosse Prognoseunsicherheit vor, so Tani: «Die Prognosen ändern sich laufend und es bleibt unsicher, welche Dynamik die konjunkturelle Entwicklung in den kommenden Monaten nehmen wird. Faktoren, die eine Prognose erschweren sind beispielsweise die unsichere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die Unsicherheit über gewisse Schutzmassnahmen im In- und Ausland und letztlich auch der weitere Verlauf der Pandemie.» Grundsätzlich seien, so Alessandro Tani, die Zukunftsaussichten für den Wirtschaftsstandort Basel-Stadt aktuell als positiv einzuschätzen. Basel-Stadt sei nach wie vor ein attraktiver Standort mit zahlreichen Standortvorteilen und verfüge über eine Wirtschaftsstruktur, die stark von den Unternehmen der Life Sciences-Branche und der Finanzwirtschaft, insbesondere den Versicherungen, geprägt sei und damit in Krisenzeiten stabilisierend wirke. «Viele Unternehmen sind ausserdem auch auf dem Weg aus der Krise – in Abhängigkeit der Branche jedoch unterschiedlich schnell.» Als eindeutig am stärksten betroffene Branchen würden der Tourismus, die Gastronomie und Hotellerie sowie die Event-Branche identifiziert. Tani: «Mit Blick auf die hohe Prognoseunsicherheit und die unterschiedliche Betroffenheit der Branchen ist eine verlässliche Abschätzung der wirtschaftlichen Schäden zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu erstellen. Wir beobachten die Situation laufend.»

    JoW, Umfrage/Recherchen: Laris Marbot

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