Handlungsunfähigkeit im Parlamentsbetrieb

    Fehlende Digitalisierung im Parlamentsbetrieb führt zur Handlungsunfähigkeit; Einsparung 100 bis 200 Mio. Franken pro Jahr!

    Der Abbruch der Bundesssession hat es gezeigt. Das Parlament ist in Krisenzeiten handlungsunfähig. Jedermann redet von Digitalisierung und das Parlament ist dem verschlossen. Die Coronakrise ist Motivationsfaktor für die dringende Reform des Parlamentsbetriebs. Als ehemaliger Kantonsrat (Grossrat) zeige ich auf, wie der Parlamentsbetrieb digitalisiert und effizienter gestaltet werden könnte. Diese Effizienzsteigerung kann für Bund, Kanton und Gemeinde zu Kosteneinsparungen von 100 bis 200 Mio. Franken pro Jahr führen.

    Wer kennt die endlosen Debatten nicht. Aus dem Fernsehen, Radio oder den Printmedien. Jedes Geschäft wird im Parlamentsbetrieb debattiert. Redner tragen sich ein und müssen die Redezeitbeschränkung beachten. Nach der Debatte wird abgestimmt. In vielen Fällen war bereits zuvor das Abstimmungsresultat absehbar. Die Egomanie und das Geltungsbedürfnis der Parlamentarier führen so im erheblichen Mass zu einem ineffizienten Gesetzgebungsorgan.

    Wie kann der Parlamentsbetrieb effizienter gestaltet werden?
    Erste Massnahme ist eine Intranetlösung für das jeweilige Parlament. Zugang haben die Parlamentarier und die Parlamentsadministration. Der Zugang erfolgt über einen geläufigen zweistufigen Zugangsprozess mit Passwort und aktueller Zahlungscode Mittteilung. Sämtliche Dokumente werden Digital publiziert. Gesetzesentwürfe, Kommentare, etc. Diese Massnahme erspart Papier und erlaubt mehr Übersicht.

    Daran anschliessend erfolgt ein zweistufiger Entscheidungsprozess. In einem Vorverfahren wird allen Parlamentariern die zu debattierende Geschäftsunterlage zugestellt. Innerhalb einer Frist äussern sich die Parlamentarier zum Geschäft (chatten). Nach Ablauf dieser Frist erfolgen konsultative Abstimmungen und Mitteilungen.

    • Soll das Geschäft öffentlich debattiert werden; ja nein?
    • Nehmen Sie Vorlage an; ja nein?
    • Haben Sie Änderungsanträge?

    In der Folge bereitet die Parlamentsadministration das Geschäft vor. Wird mehrheitlich keine Debatte gewünscht und zeichnet sich eine klare Mehrheit ab, erfolgt eine rein elektronische Stimmabgabe. Mit dieser Vorgehensweise wird der Parlamentsbetrieb von unnötigen Debatten entlastet.
    Zeigt sich Diskussionsbedarf, wird zur physischen Sitzung eingeladen. Die Geschäftsordnungen der Parlamente müssen angepasst werden. Quorren legen das Prozedere vor.

    Wahlgeschäfte werden erheblich effizienter. Wenn wir an die ganztätigen Bundesratswahlen im Bundesparlament denken, werden diese so digital innerhalb kurzer Zeit entschieden. Dies ist zwar nicht medial interessant, aber erheblich effizient. Alleine dies spart viel Zeit und Geld. Die digitale Wahl erfolgt elektronisch im parlamentarischen Intranet und die Administration kann kurze Zeit nach Ablauf der Wahlfrist das Wahlresultat veröffentlichen oder zum zweiten Wahlgang einladen.

    Sämtliche persönlichen Geschäfte der Parlamentarier vereinfachen sich. Vorstösse, Motionen, Kleine Anfragen, oder wie sie alle heissen, funktionieren digital. Anstelle des Sammelns physischer Unterschriften wird digital signiert. Debatten zu solchen Geschäften erfolgen nur wenn erwünscht. Die Beantwortung alle parlamentarischer Anfragen erfolgt digital, bei wenigen wirklich wichtigen, gibt es den physischen Meinungsaustausch.

    In Krisenzeiten, bei denen kein Parlamentsbetrieb möglich ist, kann die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit aufrechterhalten werden. Der heutige Stillstand der Parlamente zeigt dies leider dramatisch. Gerade jetzt wären parlamentarische Entscheide dringend nötig. Alle Entscheide in die Hände der Exekutive zu legen, ist problematisch.

    Auf diese Weise lässt sich die Legislative erheblich in der Effizienz steigern. Dies gilt für Bund, Kanton und Gemeinde. Das Einsparungspotential für 2 Bundesratskammern, 26 Kantonsparlamente und etliche Gemeindelegislativen (Einwohnerräte) ist erheblich. Wenn so nur 10 % der Kosten eingespart werden können, sind dies schweizweit 100 bis 200 Mio. Franken und mehr pro Jahr. Diese helvetische Digitalisierung im Parlament könnte auf die Welt ausstrahlen. Die Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen sind dort multiple beträchtlich. Ganz abgesehen von der Aufrechterhaltung des Parlamentsbetriebs in Krisenzeiten!

    Die Möglichkeit über Shareplattformen an den Generalversammlungen von Publikumsgesellschaften teilzunehmen hat bewiesen, dass kollektive Entscheidungen auf elektronischem Wege möglich sind, effizient sind und Kosten sparen. Das gleiche gilt für den Parlamentsbetrieb. Es wird Zeit, dass die Parlamente nicht nur über die Digitalisierung reden, sondern diese auch im Parlamentsbetrieb umsetzen.

    Auch für die Exekutive, Gerichte, Kommissionen, etc. kann dieses Vorgehen kostensparend eingeführt werden. Vielleicht nicht so unmittelbar, wie beim Parlament.

    Dr. iur. Bernhard Madörin

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